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Amazing Grace

Amazing Grace

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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In den letzten Wochen ist ein Video von Wynton Marsalis auf You tube herumgereicht worden. Wynton Marsalis ist einer der bekanntesten Jazz-Trompeter. Er kommt aus einer afroamerikanischen Familie in New Orleans und ist mit Musik groß geworden. Seine ganze Familie singt, swingt und musiziert. In dem Video steht Wynton Marsalis in der Federal Hall in Manhattan. Er spricht davon, dass Jazz-Musik ein Bild für die Demokratie ist und erklärt: Wir improvisieren, das heißt: Wir spielen unsere Melodien mit unserer persönlichen Freiheit und mit unserem eigenen Recht. Wir swingen, das heißt: Wir achten auf das gemeinsame Gut, den gemeinsamen Rhythmus mit der feinen Balance, die dafür notwendig ist. Und wir spielen den Blues, das heißt: Gleich wie schlimm die Sachen auch laufen, wir bleiben optimistisch, und behalten dennoch ein klares Bewusstsein für die Probleme.

Erst 1865 wurde die Sklaverei abgeschafft

Dann stimmt Marsalis das Stück „Amazing Grace“ an, und die Klänge seiner Trompete füllen feierlich und leicht die ganze Federal Hall, das große monumentale Kapitolgebäude mitten in New York. 1789 wurde dort die Bill of Rights verabschiedet, die erste Erklärung einer freien und demokratischen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten mit unveräußerlichen Grundrechten für ihre Bürger.

Afroamerikanern billigte die Bill of Rights diese Rechte allerdings noch nicht zu. Damals waren Afroamericans in den USA Sklaven. Abgeschafft wurde die Sklaverei erst 1865 nach dem erbitterten Krieg zwischen Nord- und Südstaaten. Die Weißen haben die schwarzen Sklaven grausam unterdrückt. Bis heute sitzt dies tief in der Erinnerung der afroamerikanischen Bevölkerung.

Hoffen, dass die Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen schwinden

In den blutgetränkten Feldern der Sklaverei liegen auch die Wurzeln des Jazz. Seine Geschichte ist eng mit dem weißen Rassismus verbunden. Schwarze Jazzmusiker haben noch bis in die 60er Jahre in Bars die Weißen mit ihrem Swing unterhalten. Dabei mussten sie aber in einer schmuddeligen Ecke an der Seite sitzen. Und wenn sie in einer Pause an der Bar auch ein Bier trinken wollten, traten die Weißen sie mit den Füßen wieder in ihre Ecke zurück.

Heute wird in den USA ein neuer Präsident gewählt, und die Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen haben sich wieder zugespitzt: Der Tod von George Floyd im Mai und die Ausschreitungen danach waren ein weiterer schmerzvoller Tiefpunkt. Hoffentlich kann die politische Zukunft in den USA wieder mehr Frieden und Freiheit garantieren.

Umkehr nach der Erfahrung von staunenswerter Gnade

Viel kann ich dafür hier nicht tun, aber singen kann ich, zum Beispiel über Gottes Amazing Grace, über seine „staunenswerte Gnade“, das Lied, das auch Wynton Marsalis in dem Video spielt. Es stammt von John Newton. Newton war Kapitän eines Sklavenschiffs. Als sein Schiff in einer schlimmen Seenot gerettet wurde, hat er sich zu Gott bekehrt. Seinen Beruf im Sklavenhandel hat er aufgegeben und ist Prediger geworden. Schon Mitte des 18. Jahrhunderts trat er entschieden für die Bekämpfung der Sklaverei ein. Mit Amazing Grace hat John Newton Gottes „staunenswerter Gnade“ ein gesungenes Denkmal gesetzt. In einer Strophe heißt es dort: „Der Herr hat mir Gutes versprochen. Sein Wort gibt mir sichere Hoffnung. Gott wird mein Schild und mein Teil sein, solange dieses Leben dauert.“ Dieses Lied verbindet mich heute mit den Ängsten und Sorgen und mit den Träumen von vielen Menschen in den USA, die auf eine freiere und demokratischere Zukunft hoffen.

Link zum Video von Wynton Marsalis auf You tube mit „Amazing grace“
 

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