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Akzeptieren statt tolerieren
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Akzeptieren statt tolerieren

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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„Begegnungen mit unseren muslimischen Nachbarn“ -so steht es auf der Tagesordnung des Kirchenvorstands. „Darüber müssen wir einmal reden“, hatte eine Kirchenvorsteherin vorgeschlagen. „Wir wohnen in einer Gemeinde. Unsere Kinder gehen zusammen zur Schule. Man trifft sich beim Einkaufen, an der Arbeit – aber wir wissen eigentlich wenig voneinander…“ Nach dem Anschlag in Hanau war sie bei der Demo gegen Fremdenfeindlichkeit. Und sie war mit dem Gefühl nach Hause gekommen: Demonstrieren allein genügt nicht. Wir brauchen Begegnung und Aufklärung.

Ein Referent wird in die Gemeinde eingeladen. Der schreibt zu Beginn der Sitzung drei Begriffe auf ein Plakat: „Toleranz – Respekt – Akzeptanz“. Er fragt: Was wünschen wir uns in der Begegnung mit anderen? Mit welcher Haltung sollen andere uns entgegenkommen? Wollen wir Toleranz? Wollen wir Respekt oder wollen wir Akzeptanz? Überlegen Sie doch bitte einmal, wie Sie diese Begriffe für sich füllen würden und tauschen Sie sich darüber aus.

Es beginnt eine lebhafte Diskussion: „Ja,“ sagen alle, „Toleranz. Das ist wichtig. Ohne Toleranz geht gar nichts. Eine tolerante Gesellschaft, in der für verschiedene Meinungen Platz ist.“ „Und Respekt …– das muss man respektieren - Ist das mehr oder weniger als tolerieren?“ „Aber auch: akzeptieren – Wenn ich etwas akzeptiere - heißt das automatisch, dass ich es gut finde?“

Der Referent sortiert die Ideen: „Toleranz“ erläutert er „ist die erste Stufe. Tolerieren heißt wörtlich: erdulden. Ich dulde eine andere Meinung. Ich dulde, dass Menschen anders sind als ich. Ich lasse ihre Meinung gelten. Respekt dagegen hat mit Achtung zu tun. „Ich respektiere dich! Ich achte dich in deiner Eigenheit. Früher wurde Respekt von Untergebenen ihren Vorgesetzen gegenüber gefordert. Von den Jüngeren den Älteren gegenüber. Echter Respekt aber ist wechselseitig. Und er hat noch eine andere Seite. Mit dem Wort „Respekt“ bezeichnete man früher bei einem Dokument den Abstand zum Rand. Die Kupferstecher mussten darauf achten, dass beim Drucken auf jeder Seite der gleiche Abstand zum Rand war. Dieser Abstand hieß „Respekt“. Zum Respekt gehört auch die Distanz, die den anderen Menschen in seiner Andersheit, in ihrer kulturellen Identität oder religiösen Überzeugung wahrnimmt und achtet. Es ist mein Gegenüber, dem ich Respekt entgegenbringe. Jemand akzeptieren, geht schließlich noch einen Schritt weiter. Es bedeutet nicht nur: Ich erkenne die andere an und lasse sie gelten. Akzeptieren heißt annehmen. Ich nehme dich als Mensch an, so wie du bist. Auch wenn ich anders denke und darüber mit dir diskutiere.

„Das war spannend, sagten alle am Ende des Abends. „Auf dieser Basis wollen wir uns begegnen.“

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