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Twitter gegen den Hass

Twitter gegen den Hass

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Sulome ist Libanesin. Jeremy ist Jude. Sie sind ein Paar und leben in New York. Sie sprechen sich mit Kosenamen ihrer eigenen Landessprache an: Sie nennt ihn „Habibi“-Geliebter. Er nennt sie „Neshama“- meine Seele. Sie sind Teil zweier Kulturen, die sich seit Jahrzehnten im Nahen Osten bekriegen.

Im letzten Sommer tobte der Gaza-Konflikt besonders schlimm. Fotos von getöteten Kindern und Raketeneinschlägen fachten den Hass besonders an.

Doch es kann auch anders gehen.

Sulome Anderson und ihr Freund Jeremy wollten demonstrieren, dass ihre unterschiedlichen Kulturen friedlich miteinander umgehen können. Sie haben ein Foto ins Internet gestellt, wo sie sich küssen mit einem Schild drunter: „Juden und Araber wollen keine Feinde sein“.

Seitdem gibt es viele Nachahmer: Pärchen, Freunde, Familie, die aus beiden Kulturen stammen. Ein Bild zeigt z.B. zwei Mitstudierende: sie ganz verschleiert, und er kurzärmelig. Auf einem anderen Bild sieht man zwei Jungen, die miteinander spielen: der eine mit Kippa und Gebetslöckchen, der andere mit einer palästinensischen Flagge. Oder eine glückliche Familie, wo Vater und Mutter ihre jugendliche Tochter in der Mitte küssen. Die Tochter hat dazu geschrieben: „Meine muslimische Mutter heiratete meinen jüdischen Vater. Ich bin in einem Haushalt voller Liebe und Lachen aufgewachsen.“

Die jüdisch-muslimische Twitter-Kampagne will den Schreckensbildern des Krieges andere Bilder entgegensetzen: Bilder von Liebe, Freundschaft, Vertrauen, guter Nachbarschaft. Eine gute Idee in unserer medialen Welt, finde ich. Solche Fotos schaffen eine andere Wirklichkeit neben den politischen Nachrichten und ein anderes Gefühl füreinander.

Ich stelle mir vor, wen ich gern auf einem solchen Foto zusammen sehen würde: einen Ukrainer, der für Freiheit eintritt, und einen russischen Separatisten in Uniform zum Beispiel, beide verschenken Süßigkeiten an Kinder. Oder einen PEGIDA-Demonstranten mit einem Muslim beim Kuchen essen.

Viel wichtiger ist aber die Frage: Mit wem müsste ich selbst denn für ein Foto posieren, um Grenzen zu überwinden? Gehe ich nicht manchem Mitmenschen lieber aus dem Weg? Die Bibel sagt: „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“ Kein leichtes Prinzip, finde ich. Ein gemeinsames Foto ist schnell gemacht, wichtiger wäre meistens ein längeres Gespräch, bei dem ich auch schwierige Themen anspreche. Die ungeliebte Kollegin, der nervige Hausmeister, die chaotische Mitarbeiterin, der unangenehme Nachbar. Da brauche ich Geduld und langen Atem. Eine Bekannte ist vor kurzem mit ihrer ungeliebten Kollegin ins Kino gegangen. Positive Erlebnisse schaffen wie bei der jüdisch-arabischen Twitterkampagne. Seitdem ist der Knoten geplatzt.

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