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Foto: pixabay / geralt

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Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Mark und Thomas und Abdullah spielen im Jugendkeller Tischfußball. Die Verständigung klappt mit Händen und Füßen. Mark und Thomas sind Deutsche, Abdullah kommt aus Somalia. Er spricht nur ein paar Brocken Deutsch. Nach ein paar Runden Tischfußball bestellen die drei sich eine Pizza und schauen einen Film auf DVD. Sie lachen viel, Abdullahs Augen strahlen.

Abdullah hat einen weiten Weg hinter sich. Er ist aus Somalia geflohen, wegen des Bürgerkriegs. Dort zwingen sie auch Kinder und Jugendliche, Soldaten zu sein. Seine Familie hat er nie wiedergesehen, nur über das Internet halten sie Kontakt. Er hat sich bis Tunesien durchgeschlagen, einen Platz in einem Boot ergattert und die italienische Insel Lampedusa erreicht. 20 von den 100 Mitflüchtlingen haben die Überfahrt nicht überlebt. Endlich in Italien, war seine Odyssee aber noch lange nicht zu Ende: ohne Arbeitserlaubnis und ohne Papiere, hat er als Obdachloser gelebt. Schließlich kam Abdullah per Anhalter irgendwie nach Deutschland. Hier darf er aber eigentlich auch nicht bleiben. Bis Ende November hätte er ausreisen müssen, zurück nach Italien, ganz ohne Lebensperspektive dort.

Jetzt lebt er im Jugendkeller einer evangelischen Kirchengemeinde in Frankfurt. Abdullah aber darf das kirchliche Gelände nicht verlassen. Er kann nicht einkaufen gehen und keinen Spaziergang machen. Das ist eine absolute Notlösung für einen traumatisierten jungen Mann. Zwei Familien aus der Gemeinde kaufen regelmäßig für ihn ein. Eine Frau und ein Mann geben ihm Deutschunterricht. Im evangelischen Kindergarten nebenan spielt er manchmal mit den Kindern Fußball. Viele spenden Geld. Und auch Mark und Thomas werden wieder bei Abdullah vorbeischauen, um mit ihm Tischfußball zu spielen und Pizza zu essen.

Natürlich wissen die Menschen in der Kirchengemeinde: „Wir werden damit nichts Großes verändern.“ In Somalia, wo der junge Mann herkommt, sind dreieinhalb Millionen Menschen auf der Flucht. Da ist Abdullah nur Einer von vielen, und jede Anstrengung um ihn nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

In den jüdischen sogenannten „Sprüchen der Väter“ fasziniert mich besonders ein Satz. Rabbi Tarfon soll gesagt haben: „Es ist nicht an Dir, das Werk zu vollenden, aber Du bist auch nicht frei, davon abzulassen.“

Ein starker Satz, finde ich. Ich brauche nicht daran zu verzweifeln, dass vieles in meinem Leben Stückwerk bleibt, dass ich oft nur den ersten Schritt gehe…

Deshalb finde ich: Diese Frankfurter Kirchengemeinde kann stolz auf sich sein. Auf die vielen Menschen, die Abdullah tatkräftig zur Seite stehen. Dieser Eine Mensch muss jetzt nicht unter Brücken schlafen und aus Mülltonnen essen. Und es besteht die Hoffnung auf ein geregeltes Asylverfahren.

Die Menschen der Frankfurter Kirchengemeinde, sie werden die Welt nicht verändern, aber sie setzen ein Zeichen, genau wie alle, die sich besonders für Flüchtlinge engagieren. Ein Zeichen der Hoffnung. Ein Zeichen der Nächstenliebe. Ein Zeichen der Menschenfreundlichkeit.

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