Ihr Suchbegriff
Zwei Häubchen beim Frühstück
Bildquelle Pixabay

Zwei Häubchen beim Frühstück

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel

Zwei Häubchen beim Frühstück, das sehe ich manchmal. Ich gehe bei mir um die Ecke die Straße hinunter. Draußen ist es dunkel. In vielen Zimmern aber brennt Licht. Dann kommt das eine Zimmer. Ich sehe direkt hinein. Zwei Frauen mit Häubchen sitzen am Tisch und frühstücken. Die Häubchen sind schneeweiß und gestärkt. Diakonissen tragen sie. Früher sah man sie überall, in jedem Dorf und jeder Stadt. Sie haben Kranke gepflegt, Kindergottesdienst gehalten oder im Kindergarten gearbeitet. Andere waren im Krankenhaus oder im Labor. Gute Geister eben, wie direkt vom lieben Gott gekommen.

Die weißen Hauben leuchteten in vielen Häusern, auf Straßen und Gassen. Heute leuchten sie noch am Frühstückstisch. Die Diakonissen sind alt geworden. Brauchen jetzt selbst Hilfe. Manche helfen sich gegenseitig. Auf den Straßen sind sie weniger unterwegs. Es ist, als sei ohne die Häubchen auch der liebe Gott weniger zu sehen.

Das stimmt natürlich nicht. Gott ist immer zu sehen, wenn Menschen füreinander da sind. Aber heute eben ohne weiße Hauben und blaue Tracht. Als es noch Diakonissen gab, sah man die Engel besser. Viele waren gütig und lieb, einige ziemlich streng. Sie lebten ja auch streng. Mit sehr wenig Taschengeld, in schlichten Wohnungen. Ohne Ehemann, dafür mit viel Gebet. Ein strenges Leben kann ein strenges Gesicht machen. Muss es aber nicht. Ich kenne Diakonissen, die hatten eine besondere Güte. Als sei der Himmel neben mir. Der Himmel mit Häubchen, sozusagen.

Trost war schon nahe, wenn die Frau mit der weißen Haube nur um die Ecke kam. Mit alten Namen wie früher: Gretel, Luise, Gisela und viele andere. Schade eigentlich, dass man kaum noch die Häubchen sieht in Straßen und Gassen. Man fühlte sich behütet. Dem Himmel näher. So wie ich, wenn ich aus dem Dunklen ins helle Zimmer schaue. Zu den zwei Häubchen beim Frühstück. 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren