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Wenn zwei das Gleiche tun…
Bild: Tina Koehler/Pixabay

Wenn zwei das Gleiche tun…

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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Mal wieder eine Videokonferenz. Mein Kollege vertritt vehement seine Meinung. Ihm liegt das Projekt sehr am Herzen. Mir ist sein wortreicher Einsatz zu viel. Ich schreibe meiner Lieblingskollegin im Chat: "Man der kann aber massiv sein". Sie schreibt zurück: "Genau wie du, wenn Dir etwas ganz wichtig ist".

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe

Ich bin empört: So bin ich nicht. Das schreibe ich ihr auch. Darauf kommt von ihr zurück: "Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe". Dahinter ein Zwinker-Smiley. Wenn ich ehrlich bin, ärgert mich ihre Antwort. Doch ich fühle mich auch ertappt: Ja, es gibt Situationen, in denen ich mit zweierlei Maß messe.

Beispiele dafür

Zum Beispiel: Wenn andere nachdrücklich ihre Meinung vertreten, halte ich sie für eigensinnig und stur. Mache ich das, bin ich standhaft.

Wenn Menschen meine Freunde nicht mögen, haben sie Vorurteile. Wenn ich ihre nicht mag, dann beweise ich Menschenkenntnis.

Wenn andere mehr Zeit brauchen, etwas zu tun, sind sie furchtbar langsam. Wenn ich etwas länger brauche, bin ich bedachtsam!

Ich stelle mich gut dar und andere schlecht

Alle diese Beispiele führen immer zum gleichen Ergebnis: Ich stelle mich gut dar und lass den anderen im schlechten Licht erscheinen.

Solches Verhalten führte schon in der Gemeinde in Korinth zu Streit

Damit bin ich nicht die einzige. Das haben Menschen schon zu Zeiten des Apostels Paulus gemacht. Und es hat schon damals zu heftigen Diskussionen und Streitereien geführt. Z.B. in der Gemeinde Korinth in Griechenland, um 55 n. Christus. Einige Gemeindemitglieder gestehen sich Verhaltensweisen zu, die sie anderen ankreiden. Sie meinen, nur sie legen die Gebote richtig aus und können beurteilen, wer gottgefällig lebt und wer nicht.

Paulus fragt: "Wie kommt ihr Menschen zu solchen Urteilen?"

Diese Gabe gestehen sie anderen aber nicht zu. Und die lassen sich das nicht gefallen. So gibt es Streit und Zerwürfnisse. Deshalb schreibt der Apostel Paulus einen Brief an die Gemeinde. Darin steht sinngemäß: "Wie kommt ihr zu solchen Urteilen? Lasst es sein. Nur Gott weiß, wie ehrlich und ernst es jeder von uns meint. Nicht du und ich können das beurteilen." (1 Kor 4, 4 und 5). Paulus mahnt deshalb:

Weil Gott uns richtet, können wir von Urteilen über andere absehen

"Weil Gott uns richtet, können wir von Urteilen über andere absehen".

Das hört sich einfach an und ist doch schwer umzusetzen. Doch wo es gelingt, verlasse ich den Kreislauf von Urteilen und Beurteilt-werden.

Gestehen wir uns gegenseitig die Freiheit zu, die Gott uns gewährt

Paulus sagt: "Gott misst nicht mit zweierlei Maß." Das möchte ich beherzigen: Vertritt jemand nachdrücklich seine Meinung, will ich ihn nicht mehr für stur halten, sondern für ebenso standhaft wie ich! Braucht er für etwas länger Zeit, ist er genauso bedachtsam wie ich. Das öffnet mir die Augen ein wenig mehr für diesen Menschen und für das, was ihm wichtig ist. Und das letzte Wort überlasse ich dabei Gott.

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