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Quantenphysik und das Energienetzwerk Gottes

Quantenphysik und das Energienetzwerk Gottes

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Neulich war ich drei Wochen lang krankgeschrieben. Ich hatte eine geplante OP an der Nasenscheidewand und es hat einfach gedauert, bis alles geheilt war. Mir fällt das unheimlich schwer: krank sein und mich einfach schonen, ich bin da ziemlich ungeduldig. Um mich abzulenken, hab ich mich mal wieder mit einem Thema beschäftigt, das mich eigentlich immer noch interessiert, für das ich aber die letzten Jahre einfach keine Zeit hatte.

Praktischerweise war es etwas, dem ich mich vom Krankenlager aus widmen konnte: nämlich den großen philosophischen Fragen, die die Menschheit schon immer bewegen und die ich total spannend finde: Woher kommt eigentlich unsere Welt und warum ist sie da? Wozu bin ich da – und wer bin ich überhaupt? Wie kann ich mir meiner selbst bewusst sein und woher weiß ich, dass ich nicht träume? Alles Fragen, über die man sich herrlich den Kopf zerbrechen kann. In meinen drei Wochen Kranksein hab ich mir philosophische Podcasts angehört, ein bisschen gelesen und die ein oder andere Doku angeschaut. Mir ist dabei bewusst geworden: Ich hab die letzten Jahre mein Leben gelebt - aber die Fragen nach dem Woher und Wohin hab ich mir kaum gestellt. Sie waren einfach nicht relevant. Dabei hat mich die Philosophie schon fasziniert, seit ich in meiner Jugend das Buch „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder gelesen hatte. Es geht um ein Mädchen, nämlich Sofie, das sich den großen Fragen der menschlichen Existenz stellt. Dabei stößt sie auf manchmal sehr wundersame Art und Weise auf Antworten. Oder vielmehr: auf Antwortmöglichkeiten. Denn sobald eine Erklärung plausibel erscheint, tun sich schon wieder hundert neue Fragen auf, und die Suche nach der Wahrheit beginnt von neuem. Aber ganz ehrlich: genau das ist es, was mich an der Philosophie so reizt: dass die Suche niemals endet.

Das Wort Philosophie kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus den Wörtern „philos“, was so viel wie „Freund“ oder „Liebhaber“ bedeutet, und „sophia“, was „Weisheit“ oder „Wahrheit“ heißt. Die Philosophie ist also die Liebe zur Wahrheit. Aber was ist Wahrheit? Diese Frage ist vielleicht gar nicht zu beantworten. An mir selbst stelle ich aber folgendes fest: Sobald ich mit solchen philosophischen Fragen im Kopf durch die Welt laufe, ändert sich mein Blickwinkel auf die Welt und auf das Leben, auf alles eigentlich. Wenn ich zum Beispiel denke, kann ich mich fragen: Wie denke ich eigentlich, wie funktioniert das? Wenn ich diese Frage mithilfe der Neurowissenschaften geklärt habe, kann ich mich fragen: Wer ist eigentlich dieses Ich, das da denkt? Und wieso ist dieses Ich genauso, wie es ist, und nicht anders?

„Zeitverschwendung, diese Grübelei!“, hat mir mal ein Freund gesagt. Es ändere doch nichts, wenn ich mir Fragen über das Leben stelle. Doch, finde ich, es ändert sich einiges. Wenn ich nämlich meine Welt und meine Existenz nicht einfach selbstverständlich nehme, sondern mich darüber wundere, dann ändert sich meine Perspektive, ich gehe anders durch die Welt, achtsamer, staunender. Und wenn ich dann auch noch überzeugende Antworten auf meine Fragen finde, dann kann das ganz konkrete Auswirkungen auf mein tägliches Leben haben.

Zum Beispiel bin ich vor kurzem über etwas gestolpert, das sich Quantenphilosophie nennt. Das ist sozusagen die Suche nach der Wahrheit innerhalb der Quantenphysik, deren bekanntester Vertreter Max Planck sein dürfte. Quantenphilosophen glauben: Alles, einfach alles, besteht aus Quanten, aus allerkleinsten energetischen Einheiten: der Tisch, an dem ich sitze, und das Brötchen, in das ich beiße, genauso, wie der Gedanke, den ich denke, oder das Gefühl, das ich spüre. Alles besteht aus Energie – und diese Energie begegnet uns einfach nur in verschiedenen Ausführungen, mal materiell und mal nicht. Wenn aber alles aus derselben Energie besteht, bin ich mit allem verbunden wie in einem großen Energienetzwerk. Wenn ich mit allem verbunden bin, gehe ich auch anders damit um, zum Beispiel mit der Natur, von der ich ein Teil bin, oder mit meinen Mitmenschen. 

Die Fragen nach dem Woher und Wohin unseres Lebens beantwortet die Quantenphilosophie recht plausibel, finde ich. Die Theorien sind ja auch mit physikalischen Experimenten im Rahmen der Quantenphysik untermauert worden. Nur eine Frage beantwortet sie leider nicht, nämlich die nach dem Warum: Warum bin ich da?

Es gibt eine Antwort auf diese Frage, die mich überzeugt – und ich finde sie im Christentum. Die Botschaft der Bibel lautet nämlich: „Du bist da, weil du gewollt bist. Es gibt einen Schöpfer, der will, dass genau du am Leben bist, so, wie du bist.“ Jetzt könnte man sich fragen: „Warum will er das denn? Ich bin doch gar nicht so toll, hab sogar gewaltige Charakterschwächen und Defizite. Wieso sollte ausgerechnet ich unverzichtbar sein auf dieser Welt?“ Die Antwort ist einfach, aber tiefgreifend: „Weil du geliebt bist.“

ch stelle mir das so ähnlich vor wie damals, als mein Mann und ich uns entschlossen haben, Eltern zu werden. Ich war noch nicht schwanger, aber irgendwie hab ich unser Kind schon geliebt, bevor es überhaupt da war. Unsere Tochter kam auf diese Welt, weil wir sie wollten. In der Bibel steht ein Psalm, ein Gebet, in dem es heißt: „Du selbst, Gott, hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter.“ (Psalm 139) Wenn ich daran glauben kann, mich gewollt und geliebt fühle von Gott, hat das Folgen für mein Leben. Ich gehe dann durch diese Welt und hab das Gefühl: da stärkt mir jemand den Rücken. Er hat gewollt, dass ich da bin, also wird er mir auch zeigen, welchen Weg ich gehen soll. Und das macht er nicht nur mit mir, sondern mit allen Menschen. Das ist das Energienetzwerk Gottes: seine Liebe.

Ich glaube: diese Liebe ist eine Art Schlüssel, mit dem ich die großen, philosophischen Fragen aufschließen kann. Im Theologiestudium stand in den ersten Semestern vor allem Philosophie auf dem Lehrplan – und das aus gutem Grund: die Philosophie stellt die Fragen und lässt mich staunen angesichts der großen Rätsel der Menschheit. Sie liefert auch viele brauchbare Antworten, zum Beispiel: Die Welt ist ein einziges Netzwerk aus Energie. Die Theologie macht daraus dann etwas Persönliches: Wenn ich glaube, dass es einen Gott gibt und dass dieser Gott eine Beziehung zu uns Menschen will, dann wird aus dem physikalisch beschreibbaren Energienetzwerk das Energienetzwerk Gottes, seine Liebe.

Das Staunen über die Welt und die Frage nach dem Warum stehen für mich am Anfang meiner Beziehung zu Gott. In dieser Beziehung fühle ich mich aufgehoben und gut gewappnet für die großen Fragen, aber auch für mein ganz konkretes, kleines, großartiges Leben.

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