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Immer heller

Immer heller

Rolf Müller
Ein Beitrag von Rolf Müller, Pastoralreferent Pfarrei Mariä Himmelfahrt, Frankfurt
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Für mich bedeutet der Winter immer Dunkelheit. Ich gehe morgens im Dunkeln zur Arbeit los und weiß schon ganz genau: Ich komme auch im Dunkeln wieder heim – selbst wenn die Arbeit mal früher aus ist. Oft schimpfe ich über diese langen dunklen Zeiten vor mich hin und merke dabei gar nicht, dass es auch irgendwann wieder heller wird. Theoretisch weiß ich es ja ganz genau: der 21. Dezember war der dunkelste Tag, seitdem geht es mit dem Licht bergauf. Aber das fängt so langsam an, dass mir das zuerst gar nicht auffällt. Denn im Dezember ist das nur ungefähr eine Minute mehr Licht am Tag. Aber immerhin: Heute in einem Monat wird es schon vierzig Minuten länger hell!

Vielleicht sollte ich mir das öfters klar machen, wenn ich wieder mal über das Dunkle in diesen Tagen meckere. Ich könnte ja zu mir sagen: „Es wird schon langsam wieder heller! Du musst Geduld haben, Rolf!“

Und wenn ich über diesen Satz weiter nachdenke, merke ich: Das passt ja nicht nur zu den düsteren Wintertagen. Denn Dunkelheit, das ist für mich auch ein Wort für traurige und schwierige Zeiten. Ich denke da zum Beispiel an die Zeit, als ich um den Freund getrauert habe, der plötzlich gestorben war. Oder an die arbeitsreichen Tage vor Weihnachten, in denen ich manchmal kein Land mehr gesehen habe. Wenn ich an diese Zeiten zurückdenke, merke ich: Da gab es immer einen Moment, von dem an es ganz langsam besser wurde. Da war der Urlaub, der mich aus dem Trauern herausgeholt hat oder die wichtige Sitzung, die gut gelaufen war. Oft habe ich das am Anfang gar nicht gemerkt und habe erst im Rückblick festgestellt: Seit diesem Moment ist es bei mir immer heller geworden.

Ich nehme mir vor, aufmerksamer zu werden. Ich will mir immer bewusst machen, wenn das Licht zunimmt: Sei es bei der dunklen Jahreszeit oder bei den dunklen Zeiten, die es im neuen Jahr mit Sicherheit auch wieder geben wird. Ich will an jedem Tag nach den Dingen suchen, die schön waren. Denn eigentlich weiß ich es ja: Es ist niemals immer nur alles dunkel. Und wenn ich die „lichten Momente“ in dunklen Tagen entdecke, kann ich es spüren: Nach jedem Winter kommt auch wieder ein Frühling. „Du musst nur Geduld haben, Rolf.“

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