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Held der Autobahn
Bild: ASB Hessen

Held der Autobahn

Guido Hepke
Ein Beitrag von Guido Hepke, Evangelischer Pfarrer, Weilburg

Mit einem spektakulären Fahrmanöver wurde Sönke Krützfeld in diesem Sommer zum Helden der Autobahn. Denn mit seinem Einsatz rettete der 56-jJährige einer Frau wohl das Leben. Der Pfarrer war mit seinem Wagen auf der A 5 unterwegs – in Richtung Marburg. Plötzlich schießt vor ihm ein Auto von der rechten Fahrspur ganz nach links. Mit hohem Tempo. Sönke Krützfeld bremst scharf ab, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Da prallt das andere Auto schon gegen die Mittelleitplanke – und fährt dann trotzdem weiter. Krützfeld sieht: Der Kopf der Fahrerin liegt leblos an der Seite. Sie hat keine Kontrolle mehr über ihren Wagen.

Sönke Krützfeld überlegt nicht lange. Er überholt vorsichtig das Auto der bewusstlosen Frau, setzt sich davor, provoziert einen sanften Zusammenstoß. Dann bremst er langsam ab, bis beide Fahrzeuge stehen. Andere Verkehrsteilnehmer reagieren ebenfalls. Sie sichern die Unfallstelle und rufen den Rettungswagen. Der filmreife Stunt macht den Theologen zum Helden der Autobahn. Für den Retter ist sein Einsatz eigentlich ganz normal: „Ich bin einfach darauf gepolt zu handeln, von klein auf“, sagt der Pfarrer. Angst habe er in dem Moment nicht gehabt. Erst im Nachhinein sei ihm bewusst geworden, wie gefährlich diese Rettungsaktion war. „Ich bin hinterher ziemlich durch den Wind gewesen“, erzählt Krützfeld. Trotzdem ergänzt er: „Ich möchte aber gern Mut machen, genauso zu handeln!“ Er meint damit nicht, dass jeder so einen Stunt auf der Autobahn hinlegen soll. Aber jeder kann spontan helfen, wo es notwendig ist.

Jesus nennt so etwas Nächstenliebe. Als er gefragt wird: Was bedeutet denn Nächstenliebe, erzählt Jesus dazu eine Geschichte. Ein Reisender wird überfallen und ausgeraubt. Schwerverletzt bleibt er liegen, am Rande der einsamen Straße. Menschen kommen vorbei. Erst ein Priester, dann ein Levit. Angesehene Bürger. Sie sehen den Verletzten. Und machen einen großen Bogen um ihn. Sie gehen schnell weiter. Am Ende gibt es nur Scherereien. Man wird reingezogen in eine kriminelle Geschichte oder sogar noch selbst Opfer eines Überfalls. Jesus fragt gar nicht nach ihren Motiven: Er stellt nur fest. Die beiden schauen weg. Sie tun gar nichts und gehen weiter.

Dann kommt ein Reisender aus Samarien am Ort des Verbrechens vorbei. Ein Ausländer. Einer, auf den viele herabgesehen haben in der damaligen Gesellschaft. Aber ausgerechnet der tut, was eigentlich selbstverständlich ist. Nach der medizinischen Erstversorgung bringt er den Verletzten in ein Gasthaus. Er sorgt dafür, dass der Verletzte gut gepflegt wird. Dann zieht er weiter. Er hat getan, was zu tun selbstverständlich und notwendig war. Und kehrt dann in seinen Alltag zurück. (Lukas 10,25-37)

Wer von diesen dreien ist dem, der da hilflos und verletzt am Straßenrand lag, zum Nächsten geworden?, fragt Jesus dann seine Zuhörer. Es muss nicht immer Erste-Hilfe nach einem Überfall sein oder ein filmreifer Stunt auf der Autobahn. Aber ich meine: Es ist wichtig, mit offenen Augen durch den Alltag zu gehen. Die Menschen, denen ich begegne, im Blick zu haben. Denn zum Nächsten wird der, den ich an mich herankommen lasse. Und dem ich mich nähere, um ihm Gutes zu tun. Als Christ vertraue ich darauf: Darin leuchtet die Güte auf, die von Gott kommt.

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