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Zum internationalen Tag der Gewaltlosigkeit
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Zum internationalen Tag der Gewaltlosigkeit

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad
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In meiner Zeit als Vertrauenslehrerin war ich zuständig für die Ausbildung von Streitschlichtern in der Schule. In der Schule gibt es viel Frust, der abgebaut werden muss. Rivalitäten müssen ausgetragen und Launen ausgehalten werden. Deshalb ist Schule ein Ort, an dem ständig Konflikte entstehen. Da man sich dort nicht gut aus dem Weg gehen kann, muss man Lösungen finden, mit denen möglichst alle zufrieden sind.

Streitschlichtung funktioniert nach einem geregelten Verfahren. Eine dritte Person holt die beiden Konfliktparteien an den Tisch. Schon der erste Schritt ist eine Zumutung: Jeder und jede soll den Konflikt aus der eigenen Sicht darstellen.

Anschließend gibt der Gegner das Gehörte mit eigenen Worten wieder. Das hört sich so leicht an. Ist es aber nicht. Den Konflikt aus der Sicht meines Gegenübers zu schildern das ist schwer. Aber: Es ist der Anfang der Lösung. Ich versetze mich in die Lage des anderen. Indem ich seine Sicht nicht nur denke, sondern ausspreche, komme ich dem anderen ganz schön nahe. Ich kann mich nicht mehr distanzieren und mir den anderen vom Leib halten.

Der Weg von dort zu einer Lösung ist dann nur noch halb so weit. Schülerinnen und Schüler lernen so, ohne Gewalt Konflikte zu lösen.

Heute ist internationaler Tag der Gewaltlosigkeit. Der Tag wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gewählt, weil Mahatma Gandhi am 2. Oktober 1869 – also heute vor 150 Jahren - geboren wurde. Er war der Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung und hatte die Gewaltlosigkeit und den gewaltfreien Widerstand zum Prinzip in der politischen Auseinandersetzung erhoben.

Mahatma Gandhi kannte die Bibel gut. Vor allem faszinierte ihn die Bergpredigt. Jesu Weg der Feindesliebe hat ihn begeistert.

Den Satz Jesu verstand Gandhi als aktive Feindesliebe: „Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ (Matthäus 5,39) Jesus kämpfte gegen die römischen Herrscher nicht mit Gewalt, aber er war auch kein passives Opfer. Er hat Gewalt aufgedeckt und versucht, ihr die Macht zu nehmen.

Beiden – Gandhi und Jesus – war klar, dass in einem Konflikt eine Seite den Kreislauf der Gewalt unterbrechen muss. Der Schlag auf die rechte Backe war nicht der übliche (Rabbinische Auslegung: BQ8,6 = Bill. I 342). Man musste dafür Linkshänder sein oder mit dem Handrücken schlagen. Das galt als doppelte Beleidigung.

In so einer Situation auch noch die andere Backe hinzuhalten, ist eine Zumutung. Wer sich so verhält, zeigt keine Schwäche, sondern braucht viel Selbstbewusstsein. Aber wer hat das schon? In der Schule und sonst im Leben? Deshalb macht es Sinn: Nicht schlagen und geschlagen werden, sondern die Sicht des anderen mitzubekommen. Zu versuchen, ihn oder sie zu verstehen und dadurch den Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen.

 

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