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Gemeinsam am Tisch Gottes
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Gemeinsam am Tisch Gottes

Stephanie Rieth
Ein Beitrag von Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars und Dezernentin im Bistum Mainz
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"Evangelisch - katholisch: Was sie trennt und verbindet"

Reihe zum Ökumenischen Kirchentag - Teil 1: Abendmahl und Eucharistie

Ökumenische Sonntagsgedanken von Pastoralreferentin Stephanie Rieth, Mainz-Kastel, und Pfarrer Martin Vorländer, Frankfurt

 

Rieth: 
Ich esse für mein Leben gerne. Ich koche auch gerne und probiere Rezepte aus, und ich freue mich schon sehr darauf, wenn ich endlich wieder liebe Menschen bewirten kann. Zum Essen zusammenkommen, miteinander Zeit verbringen, zwischen Genuss und Gespräch, da komme ich auch zur Ruhe, selbst wenn es da mitunter turbulent zugeht wie oft bei mir zu Hause.

Mir haben die gemeinsamen Mahlzeiten in meiner Familie gerade im letzten Jahr geholfen, sie haben mir Kraft gegeben. Wir essen nicht nur zusammen. Wir teilen dabei das Leben miteinander. Alles, was gerade los ist, kommt auf den Tisch und wird praktisch gemeinsam verkostet und genossen. Manchmal gibt es auch Sachen, die man verdauen muss.

Gemeinsam essen ist viel mehr als Nahrungsaufnahme

Miteinander essen, das ist mehr für mich als Nahrungsaufnahme. Es berührt eine Sehnsucht in mir: nach Begegnung und Gemeinschaft, nach Ruhe oder auch mal Ablenkung, nach geteiltem Leben.

Übers Essen nachdenken, das tue ich heute gemeinsam mit meinem evangelischen Kollegen Martin Vorländer. Wenn wir als Christin, als Christ übers Essen nachdenken, dann berührt das schnell eine für uns ganz zentrale Sache, etwas, das uns wichtig und heilig ist: das Abendmahl, wie es evangelische Christen und Christinnen nennen, oder auch die Eucharistie, wie bei uns Katholischen die Mahlfeier im Gottesdienst heißt.

Vorländer:
Mir geht’s mit dem gemeinsamen Essen ähnlich wie dir, liebe Stephanie Rieth. Zusammen an einem Tisch, das ist für mich auch ein Bild dafür, was für ein Fest das Leben sein kann: Wenn man so richtig tafelt!

Das Leben an der Festtafel feiern

Ich erinnere mich an verschiedene Silvester, die wir so gefeiert haben. Wir haben im Esszimmer einen langen Tisch. An den passen gut acht Leute – oder auch zehn. Eine richtige Festtafel!

Oder im Sommer stellen wir gern Biertische in den Garten. Eine weiße Tischdecke darüber, das gute Geschirr aufgedeckt, Blumen, Kerzen. Und dann wird gegessen, getrunken, geredet, gelacht und getanzt. Bis tief in die Nacht. Ich find’s himmlisch.

So ist der Himmel

In der Bibel sagt Jesus: So ist der Himmel. Ein Fest! Die Festtafel Gottes. Mensch und Mensch an einem Tisch. Gott und Mensch an einem Tisch. Keine Trennung mehr.

Ein Vorgeschmack, wie das einmal sein wird, ist für mich das Abendmahl, also der Gottesdienst mit Brot und Wein. Um den Altar herum oder unter freiem Himmel versammeln sich ganz verschiedene Leute. Manche kenne ich. Andere nicht. Das Brot, das wir teilen, steht für das, was wir unbedingt zum Leben brauchen. Wein oder Traubensaft ist ein Zeichen fürs Feiern.

Im gemeinsamen Mahl begegnet uns Gott

Ich glaube, so begegnet uns Gott beim Abendmahl: Er will, dass wir haben, was wir zum Leben brauchen. Und dass unser Leben ein Fest ist. Das ist es jetzt schon immer wieder. Und ich hoffe: Im Himmel wird es das ganz und gar sein.

Deshalb schmerzt es mich, dass evangelische und katholische Christ:innen nicht gemeinsam Abendmahl und Eucharistie feiern dürfen. Zumindest nicht offiziell. Darüber reden wir heute. Wir sprechen darüber, warum Evangelische und Katholische das Abendmahl und die Eucharistie offiziell nicht zusammenfeiern dürfen.

Die einen begehen das Abendmahl

Kurz zu den Begriffen: Evangelische sagen Abendmahl. Das erinnert an das letzte Abendmahl, das Jesus mit den Seinen gehalten hat, bevor er verhaftet wurde.

Nach jüdischem Brauch hat Jesus das Brot gesegnet. Dann hat er es geteilt und gesagt: "Das ist mein Leib." Danach hat er den Kelch mit Wein genommen, Gott gedankt und gesagt: "Das ist mein Blut." (Matthäus 26)

Rieth:
In der katholischen Kirche heißt das Eucharistie. Das kommt vom griechischen Wort für Dank sagen. Weil Jesus an diesem Abend Gott für Brot und Wein gedankt hat.

Die anderen feiern Eucharistie

Wenn Christen und Christinnen das in Jesu Namen tun, dann danken sie auch für Jesus, der sich für uns hingegeben hat. An ihn erinnern wir im Mahl. Jesus Christus ist für uns Kraft und Stärkung.

Kraft, die hilft, das Leben zu bewältigen

Darum sagt er damals beim letzten Abendmahl über das Brot: "Das ist mein Leib." Also: Ich bin für euch das Brot des Lebens, ich will euch Nahrung sein, die euch Kraft gibt, die euch hilft, das Leben zu bewältigen. Leib Christi – das sagen Christen und Christinnen zu dem Brot, das sie empfangen. Es macht deutlich: Wenn wir das Brot empfangen, werden wir zu einer Gemeinschaft in Christus, zum Leib Christi. Wir Katholischen sagen, wir gehen zur Kommunion und Kommunion heißt Gemeinschaft. Jesus selbst stiftet diese Gemeinschaft.

Vorländer:
An die Gemeinschaft mit Christus glauben wir Evangelischen genauso. Und trotzdem dürfen wir  offiziell nicht zusammen Abendmahl und Eucharistie feiern.

Was geht und was nicht

Genauer gesagt: In der evangelischen Kirche geht das schon. Bei uns gilt: Die Kirche verfügt nicht über das Heilige Abendmahl, es gehört ihr nicht. Denn: Christus lädt ein.

Darum dürfen in der evangelischen Kirche alle am Abendmahl teilnehmen, die sich von Christus eingeladen wissen. (1) Also auch katholische Christinnen und Christen. Aber denen verbietet das die katholische Kirche bislang.

Rieth:
Ja, ich glaube, da muss ich als katholischer Teil dieses Duos etwas mehr erklären, denn tatsächlich haben wir da die größeren Bedenken. Wir glauben gemeinsam: In diesem Mahl kommen Menschen zusammen und Gott und Mensch. Aber es gibt da einen, der das vermittelt. Und da beginnt es, für uns Katholiken schwierig zu werden.

Mit der Reformation gab es einen Bruch in der Kirche

Nach katholischer Überzeugung kann der Mahlfeier nur ein geweihter Priester vorstehen – einer, der in einer langen Tradition steht von den Aposteln, also den Jüngern Jesu bis heute.

Die Reformation ist in dieser Tradition ein Bruch - ein wertvoller zwar, aber eben ein Bruch, über den ich nicht einfach hinwegsehen kann.

Vorländer:
Du sprichst vom Bruch. Ja, Martin Luther und die anderen Reformatoren haben vor 500 Jahren den Finger in die Wunde gelegt. Für sie hatte nämlich die damalige katholische Kirche mit etwas gebrochen, nämlich mit dem Glauben: Gott allein schenkt Gnade. Gott allein erlöst, befreit. Nicht die Kirche.

Was die Reformation angeprangert hat

Die katholische Kirche damals dachte, ihr gehört das Seelenheil. Sie hatte aus Erlösung ein Geschäft gemacht. Man konnte sich aus dem Fegefeuer freikaufen und sich mit Geld einen Platz im Himmel sichern. Das hat die Reformation angeprangert.

Nach evangelischem Verständnis braucht es keinen geweihten Priester als Vermittler. Jeder Mensch hat unmittelbar Zugang zu Gott.

Wer darf das Abendmahl, die Eucharistie leiten?

Aber im Gottesdienst können nicht alle gleichzeitig drauflos beten, predigen, Brot und Wein austeilen. Darum leitet jemand den Gottesdienst. Pfarrerinnen und Pfarrer, Menschen, die dazu berufen sind. Es geht ums Amtverständnis, also um die Frage: Wer darf das Abendmahl, die Eucharistie leiten? Darüber gehen die Auffassungen zwischen evangelisch und katholisch auseinander.

Rieth:
Ja, und für die katholische Kirche ist das der Hauptgrund, weswegen wir immer noch nicht zusammen Abendmahl und Eucharistie feiern können.  

Hoffnung darauf, den Bruch zu überwinden

Dass Evangelische und Katholische im Gottesdienst noch nicht gemeinsam Mahl feiern können, das finde ich sehr traurig. Als Katholikin bin ich manchmal auch mutlos, weil keine echte Lösung in Sicht ist. Ich frage mich: Wie können wir diesen Bruch endlich einmal überwinden?

Ein Hoffnungsbild, das ich habe, steckt für mich in einer biblischen Geschichte. Es ist die Erzählung von zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (Lukas 24) Nach Jesu Tod machen sie sich tief traurig von Jerusalem aus auf den Weg.

Erst beim gemeinsamen Essen erkennen Sie Jesus

Der auferstandene Jesus begegnet ihnen. Aber vor lauter Trauer erkennen sie ihn nicht. Erst als sie gemeinsam mit ihm essen, als er das Brot mit ihnen teilt, gehen ihnen die Augen auf und sie erkennen Jesus. Es brannte ihnen das Herz, steht in der Bibel.

Ich wünsche mir, dass uns Christen und Christinnen die Augen aufgehen und wir einen Weg erkennen - einen Weg, der es uns möglich macht, gemeinsam zu essen, uns gemeinsam bewirten und beschenken zu lassen von dem Gastgeber, der Jesus selbst ist.

Wofür brennt mein Herz?

Ich glaube fest: Gott will mit diesem Mahl Gemeinschaft stiften unter uns, er will uns zu einem Leib Christi machen, er will, dass wir eins sind. Ich wünsche mir, dass unser Herz dafür brennt.

Vorländer:
Ein starker Wunsch!  Und es muss ja nicht beim Wünschen bleiben. Denn es ist ja eine Lösung in Sicht. Es gibt den Vorschlag von katholischen und evangelischen Christinnen und Christen, wie das gehen könnte, gemeinsam am Tisch Gottes. Zumindest als ersten Schritt.

Lösung in Sicht!

Nämlich als wechselseitige Gastfreundschaft. Evangelische gehen zur katholischen Eucharistie und Katholische kommen zum evangelischen Abendmahl. Jeweils so, wie es ihrem Glauben entspricht. So machen das ja schon viele Katholische und Evangelische  - inoffiziell.

Beide Seiten erkennen an: Auch euer Herz brennt. Auch ihr teilt Brot und Wein im Glauben an Jesus Christus. Und wir feiern miteinander, wie  du es beschrieben hast, liebe Stephanie Rieth: unsere Sehnsucht nach Gott, nach Begegnung und Gemeinschaft, die Freude am Leben, das Gott schenkt.

(1) Lebensordnung der EKHN, Kapitel 2.3 Das Abendmahl, Ziffer 84 100 Lebensordnung (LO) - Kirchenrecht Online-Nachschlagewerk (kirchenrecht-ekhn.de)

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