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Ein Plädoyer für den Patienten
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Ein Plädoyer für den Patienten

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg

Es gibt neue Anwärter für die Liste der aussterbenden Wörter. Ein junger Krankenpfleger hat mich darauf aufmerksam gemacht. Was früher einmal „Stationszimmer“ hieß, das nennt sich heute „ Stützpunkt“. Das Schild war mir im Vorübergehen schon aufgefallen. Bisher habe ich den Begriff vor allem mit der Feuerwehr in Verbindung gebracht oder mit einer Militärbasis. Aber wer weiß – als Schwester oder Pfleger muss man sicher manchmal schnell sein wie die Feuerwehr und im Team gut organisiert wie das Militär.

„Es heißt übrigens auch nicht mehr Patient,“ erklärt mir der junge Mann weiter, „sondern Kunde. Das haben wir in unserer Ausbildung gelernt“. Wie bitte? Habe ich richtig gehört?
Ich werde im Krankenhaus vor allem als Kundin gesehen?! Natürlich zahle ich auch, bzw. meine Krankenkasse. Selbstverständlich muss sich ein medizinischer Betrieb rechnen. Zumal, wenn der Träger ein privates Unternehmen ist, das Renditen erwirtschaften will für seine Aktionäre. Aber dass das schöne alte Wort „Patient“ ersetzt werden soll durch das Allerweltswort „Kunde“, das empört mich regelrecht als Patientin. Dreht sich denn alles nur noch ums Geld? 
Kundin bin ich überall. Bei meiner Bank. In den Geschäften, bei denen ich einkaufe. Bei den Versandhäusern, die mir unaufgefordert ihre Kataloge zuschicken. Aber wenn ich krank bin, möchte ich Patientin sein. Das Wort hat doch eine Bedeutung. Es enthält den lateinischen Begriff Patientia – Geduld. Und die brauche ich, wenn ich krank bin. Geduld mit mir selber, mit meinem Körper und dem Tempo seiner Heilung. Geduld mit den Medikamenten, die ihre Zeit brauchen, bis sie wirken. Geduld mit den Schwestern und Pflegern, die so viel zu tun haben, dass sie nicht immer gleich kommen können, wenn ich auf die Klingel drücke. 
Geduld brauchen auch die anderen mit mir. Mit meiner Ungeduld, mit meinen Launen und Wünschen.
Und wenn die Geduld an ihre Grenze kommt, brauche ich als Patientin noch etwas anderes. Martin Luther hat in seiner Bibelübersetzung dafür ein treffendes Wort gefunden, das heute kaum noch jemand kennt: „Langmut“.  „Wir beten für euch und bitten…dass ihr gestärkt werdet …zu aller Geduld und Langmut.“ (Kol 1,11) Langmut ist die aktive Seite der Geduld. Mutig annehmen und aushalten, was lange dauert und Geduld braucht. Einen langen Atmen haben, die Hoffnung nicht verlieren.

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