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Ein Herz und eine Seele
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Ein Herz und eine Seele

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Eigentlich bin ich ein Harmoniemensch. Ich habe aber auch lernen müssen: Harmonie kann nicht immer das A und O sein. Wenn ich etwa ungerecht behandelt werde, dann gehe ich häufiger als früher Konflikten nicht mehr aus dem Weg. Und wenn jemand anderes unter Ungerechtigkeit leidet, spüre ich öfter: Trösten allein reicht nicht. Ich muss Stellung beziehen. Dieses Pflichtgefühl ist dann im Idealfall stärker als mein Sinn für Diplomatie.

Auch in Alltagssituationen merke ich: Zu viel Harmoniesoße lähmt. Zum Beispiel abends in der Fußgängerzone mit Bekannten: Es regnet und ich stehe mir die Beine in den Bauch. Wir können uns nicht für einen Kinofilm oder eine Kneipe entscheiden. Und eiern herum: Jeder will es jedem recht machen.

Ich bin also sozusagen ein skeptischer Harmoniemensch. Deswegen war ich vor kurzem auch erst mal misstrauisch, als ich auf eine faszinierende Bibelstelle gestoßen bin, die mir aber erst mal allzu harmonieselig vorkam. In der Apostelgeschichte heißt es nämlich: Die frühe christliche Gemeinde sei „ein Herz und eine Seele“ gewesen.

Als ich das gelesen hab, hab ich mich gefragt: Ist so eine unfassbare Harmonie möglich – und überhaupt erstrebenswert? Dann hab ich aber nochmal in der Bibel nachgeblättert: Natürlich erzählt die Bibel von den frühen Christen auch noch was ganz anderes. Da gab es auch heftige Konflikte: Paulus hat dem Petrus „ins Angesicht widerstanden“, heißt es da etwa. Der Grund: Paulus wollte die christliche Lehre allen Menschen verkünden – nicht nur den jüdischen Gemeinden. Und Petrus war da viel zurückhaltender. Eine existenzielle Frage, über die man nicht einfach Harmoniesoße kippen kann. Hier haben die Christen gestritten, argumentiert – und so Profil bekommen.

Dieser Blick auf die Welt der frühen Christen tut mir gut: Denn er vermittelt mir den Eindruck: Nur wenn man konfliktfähig ist, kann man auch die Momente genießen, in denen man spürt, dass man „ein Herz und eine Seele“ ist. Und das hilft mir dabei, weiterhin immer konfliktfähiger zu werden,  ohne mein eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren - Harmonie. Sie tut mir nämlich weiterhin einfach besonders gut.

 

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