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Die Tür klemmt
Bild: Pixabay

Die Tür klemmt

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Ich kann heute nicht zur Arbeit kommen – das Türchen vom Adventskalender klemmt!“ Diesen witzigen Text habe ich auf einer Postkarte gelesen. Ich habe meinen Chef aber noch nicht angerufen; ich bin nicht sicher, ob er diese Entschuldigung für mein Nicht-Erscheinen witzig findet.

Heute ist schon der zweite Dezember, und die Kinder tun es vermutlich als erstes: Das Türchen oder Säckchen vom Adventskalender öffnen! Das ist das Wichtigste an einem Dezembermorgen. Ich erinnere mich gerne an meine Adventskalender früher. Meistens hatte ich zwei: einen am Fenster aus Papier, hinter dessen Türchen bunte Bilder versteckt waren. Spannender war aber der andere: Meine Mutter hatte jedes Jahr ein neues Buch mit einer Geschichte für jeden Tag. Dazu passend konnte ich ein Bild aus Papier ausschneiden und aufkleben – darauf habe ich mich immer besonders gefreut.

Bei dieser Art Adventskalender kann kein Türchen klemmen, bei anderen kommt es schon mal vor, dass das Papp-Türchen sich nicht gut öffnen lässt. Das ist dann schon ärgerlich und auch eine Geduldsprobe: Wie kriege ich die dünne Pappe aufgepiddelt, ohne dass das Bild kaputt geht?

Heute ist das für mich kein Problem. Eine klemmende Tür am Adventskalender ist doch eher eine lustige Ausrede. Aber andere Türchen und Türen: Die klemmen ja auch manchmal – und das kann dann sehr ärgerlich werden.

Eine Tür, die sich nicht einfach so öffnen lässt, ist eine Störung, ein Hindernis. Gerade im Advent, wo so viel zu tun und zu erledigen ist, ist so ein Hindernis störend. Es unterbricht mich in meiner Tätigkeit und verzögert meinen Zeitplan. Andererseits: vielleicht passen solche Störungen und Zeitverzögerungen auch gerade zum Advent.

Advent bedeutet ja „Warten auf die Ankunft Gottes“. Warten ist eine langsame Tätigkeit. Ich kann es nicht beschleunigen. Ich muss so lange warten, bis das Erwartete eintrifft.

Was passiert aber, wenn ich nun hektisch werde, mir die Zeit vertreibe und versuche, immer mehr zu beschleunigen, damit ich nur ja alles erledige? Wenn ich also mit Gewalt an der klemmenden Tür reiße, sie sogar vielleicht abreiße?

Ich denke mir einerseits: Warten kann auch eine aktive Sache sein, wenn ich das, was ich erwarte, selber mit herbeiführen kann. Zum Beispiel kann ich etwas dazu beitragen, dass die frohe Botschaft von Weihnachten bei vielen Menschen jetzt schon ankommt.  Andererseits gehört Geduld für mich zum Warten: Nur wenn ich geduldig am Bahnsteig warte, verpasse ich den Zug nicht.

Wir Menschen sind es heutzutage aber nicht mehr gewohnt zu warten: Die Expresslieferung kommt am nächsten Tag, Dinge können sofort gekauft werden, Fernseh-Serien können am Stück geschaut werden. Ich muss nicht warten - außer vielleicht auf die Bahn. Wieso ist Weihnachten nicht jetzt schon?

Für mich ist diese Adventszeit eine Einladung und Aufforderung, es wieder zu lernen: das geduldige Warten. Manches muss ich erwarten können und kann es nicht beschleunigen. Wenn also an meinem Adventskalender ein Türchen klemmt und ich nicht direkt drankomme an die Schokolade, dann werde ich versuchen, es vorsichtig zu bewegen, so dass es sich schließlich öffnen lässt. Und ich werde mich daran erinnern lassen, dass es Dinge gibt die Zeit brauchen – gerade im Advent.

 

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