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Die Rettung einer Welt
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Die Rettung einer Welt

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Sie sieht es sofort. Hanna ist Lehrerin, zweite Klasse. Sie mag ihren Beruf und die Kinder. Vor ein paar Tagen geht sie in die Klasse, schließt die Tür hinter sich und sieht es. Finn, sieben Jahre alt, hat einen blauen Fleck neben dem Auge. An der Stirn ein Pflaster, daneben Schrammen mit Blutkrusten. Hanna sagt nichts. Während der Stunde schaut sie immer

mal zu Finn. Danach fragt sie ihn, was passiert ist. Er sagt nur: Ich habe Haue gekriegt. Und weint. Hanna ist erschrocken. Am Mittag ruft sie beim Kinderschutzbund an und fragt. Ja, sagen die, Gewalt gegen Kinder gibt es. Immer noch. Es gibt sogar einen Tag gegen Gewalt in der Erziehung (30. April). Da liest man dann mehr in der Zeitung. Hanna fragt, was sie tun kann. Erst einmal nichts, sagt der Kinderschutzbund. Wir tun etwas, sprechen mit dem Jugendamt. Dann hört Hanna noch, dass pro Tag drei Kinder an häuslicher Gewalt sterben. Das meint die Polizei. Wie kann man nur, denkt Hanna. Gewalt ist doch Ohnmacht. Und wer als Kind geschlagen wird, schlägt dann als Vater oder Mutter wieder. Gewalt wird man nur durch Nachdenken los. Nachdenken darüber, dass Schlagen zu nichts hilft.         
Am nächsten Tag ist das Pflaster weg bei Finn. Der Fleck ist weniger blau. Wieder bleibt Hanna noch alleine mit Finn im Klassenzimmer.
Erzähl doch mal, sagt die Lehrerin. Finn schämt sich. Dann sagt er: Ich war böse. Hanna nimmt Finn in die Arme. Wehe, ihr tut einem Kind etwas, hat Jesus gesagt. Das fällt Hanna ein. Und fragt Finn: Soll ich dich mal Zuhause besuchen, mir dein Zimmer angucken? Ja, sagt der Junge. Hanna nimmt sich vor, bald zu ihm zu gehen. Und zu den Eltern. Ganz leise, ohne Zeigefinger, ganz allgemein will sie dann sagen: Wer sein Kind schlägt, versündigt sich. Und wer sein Kind vor Schlägen bewahrt, rettet ein Leben. Nein, eine ganze Welt.

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