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"Die ohne Dach sind, führe ins Haus"
Pixabay/Alexas Fotos

"Die ohne Dach sind, führe ins Haus"

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim
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Jedes Jahr mache ich mit meiner Konfirmandengruppe ein Projekt, bei dem sie kennenlernen, was in der Nähe an Hilfe für andere jeden Tag geschieht. Wir gehen in Bad Homburg zum Beispiel in ein Alter- und Pflegeheim und  sprechen mit Mitarbeitern und Bewohnern. So haben wir auch die Tafel in Bad Homburg besucht und den Kinderschutzbund. Auch das so genannte Haus am Mühlberg, ein Wohnheim für wohnsitzlose Menschen.

Mir ist wichtig: Die Jugendlichen sollen erfahren: Es gibt sehr unterschiedliche Lebenssituationen, für die man nicht immer selbst etwas kann. Und es gibt Hilfs- und Unterstützungsangebote für schwierige Lebenssituationen, egal ob die Menschen jung sind oder schon älter.

Als wir in das Wohnheim für wohnsitzlose Menschen kommen, sind die Jugendlichen unsicher. Es ist eine ungewohnte Situation für sie. Wir kommen in einen Raum, der tagsüber genutzt wird. Am Tisch sitzen zwei der Bewohner. Es riecht nach Essen und Zigarettenrauch. Ein Sozialarbeiter bittet die Jugendlichen, Platz zu nehmen. Im Gespräch mit ihm werden sie ihre Fragen los: Wie wird man eigentlich wohnsitzlos? Wie wird einem hier geholfen? Was gibt es hier für Angebote? Wie lange dürfen die Menschen hier bleiben? Sie fragen den Mitarbeiter auch, warum er diese Arbeit eigentlich macht. 

Später trauen sie sich, auch die Bewohner anzusprechen. Sie haben die ganze Zeit zugehört. Und Konfirmanden merken schnell: Mit denen kann man ins Gespräch kommen, man braucht keine Angst zu haben. Es sind Menschen, deren Leben nicht so glatt gelaufen ist, denen das Schicksal manchmal übel mitgespielt hat. Bei manchen ist vieles zusammen gekommen: sie sind abhängig geworden von Alkohol, die Partnerschaft ist in die Brüche gegangen, ihnen wurde gekündigt. Sogar um solche schwere Erfahrungen geht es am Tisch.

Ich hoffe, dass die Jugendlichen solche Erfahrungen verbinden können mit dem, was wir im Unterricht aus der Bibel erfahren haben.  Im Buch Jesaja im Alten Testament steht zum Beispiel: Brich dem Hungrigen dein Brot und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus. (Jes 58,7) Jesus hat das später in seinen Reden aufgenommen und erweitert. Darin wird deutlich: Anderen wahrzunehmen und zu sehen, was sie brauchen, das ist für Juden und Christen wichtig. Das hat etwas mit anpacken zu tun und nicht mit wegschauen. Damit sie ein würdevolles Leben führen können. Und: Es gibt natürlich nicht nur die christlichen Kirchen, sondern auch andere Initiativen, denen das wichtig ist.

Die Jugendlichen haben hingeschaut. Sie waren dankbar für die Einblicke. Und sie waren erstaunt, wie gastfreundlich sie empfangen worden sind. „Das hätte ich nicht gedacht, sagt Moritz zum Schluss, dass die so nett sind. Sogar in eines Zimmer durften wir hineinschauen!“ Vielleicht schauen die Jugendlichen das nächste Mal anders hin, wenn sie auf der Straße jemanden sehen, der seinen Hut vor sich gestellt hat. Vielleicht legen sie etwas hinein oder wagen sogar ein Lächeln. Das wäre schon was.

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