Ihr Suchbegriff
Der Brexit und wie man trauert, wenn einer den anderen verlässt

Der Brexit und wie man trauert, wenn einer den anderen verlässt

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Zuerst ist es einfach nicht zu glauben. Er meint es ernst. Er will gehen. Es ist aus. Nicht wahrhaben wollen, das ist oft eine erste Reaktion, wenn man eine schockierende Nachricht bekommt. So ging es mir am Tag nach dem Brexit. Das kann doch nicht wahr sein. Sie haben es wirklich getan. Die Briten haben mehrheitlich für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.

Natürlich, das ist eine politische Entscheidung, die man ganz nüchtern betrachten, die man gut oder schlecht finden kann. Aber auch den Polit-Profis in Europa war anzusehen: Der Brexit löst viele Emotionen aus. Wie bei einer Trennung, bei der der eine gerne zusammenbleiben will, aber der andere sagt: „Ich gehe.“ Erst ist man wie erstarrt. Dann kommen andere Gefühle hoch. Zorn zum Beispiel: „Ihr habt es so gewollt. Dann schaut, wie ihr alleine zurechtkommt. Jetzt keine Hängepartie, keine Rosinenpickerei. Raus, aber dalli!“

Oft gibt es in der Trauer über eine Trennung auch eine Phase des Verhandelns: Vielleicht ist das Aus doch noch nicht endgültig. In der Woche nach dem Brexit war bei einigen auch zu spüren, wie niedergeschlagen sie nach dem Votum der Briten sind. Die wollen nicht mit uns zusammen sein. Welchen Sinn hat das Ganze dann noch? Das ist eine Form von Trauer. Die Seele ist wie gelähmt. Man hat keine Kraft und keine Motivation für gar nichts. Aus einigen Äußerungen spricht aber auch schon die Akzeptanz: Gut, sie haben so entschieden. Schauen wir den Tatsachen ins Auge. Wie geht es weiter?

Wer schon einmal eine schwere Trennung erlebt hat, kennt diese Gefühle. Was hilft da wieder heraus? Am meisten, die Gefühle nicht wegzuschieben. „Alles hat seine Zeit“, heißt es in der Bibel. (Prediger 3,1-8) Und alles darf auch seine Zeit haben. Das Abbrechen und das Bauen. Das Zerreißen und das Zunähen. Manchmal ist es erst einmal Zeit zu trauern. Und dann kann man neu anfangen. Jeder für sich. Oder vielleicht doch wieder gemeinsam?

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren