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Von Wölfen und Menschen
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Von Wölfen und Menschen

Dr. Sabine Gahler
Ein Beitrag von Dr. Sabine Gahler, Pastoralreferentin im Katholischen Bildungszentrum nr30, Darmstadt
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"Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf". Seit meiner Schulzeit beschäftigt mich dieser Satz. „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“. Der Satz stammt von Thomas Hobbes.  Ein englischer Mathematiker und Philosoph. "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf". Hobbes meint damit: Der ärgste Feind des Menschen ist der Mitmensch. Das sei in der Natur des Menschen so vorgegeben. Jeder ist wie ein Raubtier, bereit, dem anderen die Lebensgrundlage zu nehmen, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Darum ist ein friedliches Zusammenleben der Menschen von Natur aus ausgeschlossen. Es braucht Regulierung von oben, einen Staat und eine Gesetzgebung, damit ein friedliches Zusammenleben der Menschen möglich ist. Ohne Eingreifen von oben herrscht permanent Krieg. Eine sehr pessimistische Sicht.
Aber ist das wirklich so? Der Mensch dem Menschen Wolf. Ohne Alternative? Muss das so sein? Thomas Hobbes ist nicht der Einzige, der sich die Frage nach dem Wesen des Menschen gestellt hat. Es gibt auch andere Sichtweisen. Und ich denke, es liegt auch an mir und jedem einzelnen, welchen Weg wir einschlagen und ob wir etwas für ein gutes Zusammenleben tun. Davon erzählt folgende Geschichte. Sie geht so:
„Ein Jüngling kommt zu einem weisen, alten Schamanen und fragt ihn: "Sag mal, kannst du mir sagen, was in uns Menschen, in unserem Inneren, in unserer Seele vor sich geht?" Der Schamane antwortete: "Mein Sohn, das ist so: Jeder Mensch trägt zwei Wölfe in sich; einer verkörpert das Gute, die Liebe, die Freude, die Güte, das Mitgefühl, die Hilfsbereitschaft, das Verzeihen; der andere verkörpert alles Schlechte und Üble in uns, den Neid, den Hass, die Gier, den Zorn, die Rücksichtslosigkeit. Diese beiden Wölfe in uns bekämpfen einander fortwährend." Darauf der Jüngling: "Schön und gut, aber wer gewinnt denn nun von beiden?" – "Es gewinnt der Wolf, den du fütterst."“ (aus: Ed Watzke, Wahrscheinlich hat diese Geschichte gar nichts mit Ihnen zu tun ..., Cover)
So weit die Geschichte. In jedem von uns wohnen zwei Wölfe. Und es ist an mir, welche Gefühle ich pflege. Die Freude, die Güte, das Mitgefühl, die Hilfsbereitschaft. Oder Hass, Zorn und Rücksichtslosigkeit.
Ich kann mich heute im Straßenverkehr nach vorne drängeln, rücksichtslos abbiegen oder wütend hupen, wenn es mir nicht schnell genug geht. Ich kann aber auch durchatmen und nach anderen schauen. Ich kann mich ärgern über eine Kollegin, die wieder einmal viel zu langsam arbeitet und mich damit aufhält. Vielleicht kann ich aber auch fragen, ob ich etwas von der Arbeit übernehmen kann. Gemeinsam geht es besser. Ich kann neidisch auf den Nachbarn schauen, der eine traumhafte Reise für die Ferien geplant hat. Ich kann mich aber auch mit ihm freuen. Sicher das sind nur kleine Beispiele. Dennoch: „Es gewinnt der Wolf, den du fütterst.“ Das gilt auch im Zusammenleben in unserer Gesellschaft, in unserem Land, in der Weltpolitik. Es gibt immer die Möglichkeit zu eskalieren oder für Verständigung einzutreten.
Welchen Wolf füttere ich? Darauf möchte ich heute achten.

 

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