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Omas Grab
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Omas Grab

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Wo sind nur die 25 Jahre hin? Ich erinnre mich noch gut an den Tag, als meine Oma gestorben ist. Die Endgültigkeit zu begreifen, das hat wehgetan. Bei ihrem hohen Alter haben wir gleichzeitig gedacht, dass sie erlöst worden ist. Auf dem Grabstein haben wir ihren Namen neben den meines Opas schreiben lassen, der dort schon beerdigt war. Meine Mutter hat dann Jahr für Jahr das Grab gepflegt: zum Sommer hin Immerblüten, Stiefmütterchen im Herbst und immer wieder ist sie zum Gießen hingefahren.

Und jetzt muss das Grab weg. Die Friedhofsverwaltung hat einen Aufkleber auf den Grabstein geklebt. „Der Stein wackelt und ist unsicher, er muss bald abgeräumt werden“ stand darauf. Mein Vater sagt: „Der steht fest wie eh und je, aber die 25 Jahre sind wirklich um. Wir müssen uns darum kümmern.“ Familiengrabstätten kann man ja verlängern, Einzel- oder Reihengräber normalerweise nicht. 

Mein Freud Kai hat das schon hinter sich. Mit einem Frontlader hat er die Grabumrandung am Grab seiner Oma angehoben. „Und dann einmal fest draufgehauen mit dem großen Hammer“, sagt er „dann könnt ihr die Teile auf den Wagen laden. Mit dem Stein müsst ihr aber aufpassen, der ist wirklich schwer.“ 

Wenn es so weit ist, das hab ich mir vorgenommen, möchte ich am Grab meiner Oma noch mal besonders an sie denken, vielleicht sprechen wir ein Gebet, bevor wir anfangen, das Grab abzuräumen. Ich bin gar nicht so oft dort gewesen, aber ich hab immer den Ort gewusst, wo sie bestattet ist. Das hat mir gutgetan und das ist bald vorbei. Wenn wir auf ihrem Grab wieder Rasen gesät haben, wird auf dem Friedhof nichts mehr an meine Oma erinnern. Am Totensonntag wird niemand mehr ein Licht auf ihr Grab stellen, zu ersten Mal seit 25 Jahren.

Ich glaube, sie wird trotzdem nicht vergessen sein. Nicht weil wir all die guten, dankbaren Erinnerungen an meine Oma bewahren werden und die wenigen durchwachsenen auch - auch unsere Lebenszeit ist ja begrenzt. Ich glaube, meine Oma ist nicht vergessen, weil sie in Gottes Gedenken bewahrt ist, wie sie es auch geglaubt hat: Im Leben, im Sterben und auch darüber hinaus sind wir geborgen in Gottes Gedenken und in seiner Liebe, von der nichts uns trennen kann.

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