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Im Schlaraffenland

Im Schlaraffenland

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin

Als Kind habe ich besonders gerne das Märchen gehört vom süßen Hirsebrei, der aus dem Topf quillt und sich über die ganze Stadt ergießt. Brei für alle satt. Ein starkes Bild. Manchmal habe ich davon geträumt.
Als ich klein war, habe ich mir so das Schlaraffenland vorgestellt.
Auch die Bibel erzählt solche Geschichten. Im Paradiesgarten lässt sich gut von der Hand in den Mund leben – ohne die Mühen der Gartenarbeit, denn die Früchte im Paradies warten nur darauf, gepflückt zu werden. Im gelobten Land, das Gott dem biblischen Volk Israel verspricht, fließen Milch und Honig. Das hat ja auch was von Schlaraffenland.

Später dann habe ich ein Gemälde von Pieter Bruegel gesehen. Es stammt aus dem Jahr 1567. Um eine Art Tischlein-deck-dich-Baum liegen drei Männer. Zwei schlafen, der dritte wartet darauf, dass ein Tropfen in seinen Mund fällt – aus dem umgekippten Weinkrug vom Tisch über ihm. Eine gebratene Gans liegt auf einem Teller, ein essfertiges Schwein läuft umher. Im Hintergrund futtert sich ein Neuankömmling durch einen Teigberg. Das Bild sieht nicht idyllisch aus. Es fehlen ein harmonisches Miteinander, quirliges Treiben, lächelnde Menschen. Hier geht es nur darum, sich den Magen vollzustopfen ohne Rücksicht auf Verluste.

Ein Zuviel ohne Maß allzeit verfügbar ist nicht der Weg zum Glück. Gut vorstellbar, dass sich Hirsebrei, Milch und Honig, die ewig fließen, zu einem Albtraum entwickeln können. Es mag ein Herzenswunsch vieler Menschen sein, unbegrenzt Zugang zu Dingen zu haben, die das Leben schön und unbeschwert machen. Sollte er sich erfüllen, ist es aber aus mit dem Träumen. In einer Welt, in der die Menschen sich nichts mehr wünschen können, gibt es keine Wünsche mehr. Aber auch keine Lebensfreude. Und noch eines weiß ich heute: Schlaraffenland kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet: „Das Land der faulen Affen“. Wer möchte da schon leben?

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