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Gute Nachbarn sind wie das täglich Brot
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Gute Nachbarn sind wie das täglich Brot

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim
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Helga wohnt schon lange alleine. Ihr Mann ist vor einigen Jahren gestorben. Die Kinder leben weit weg. Sie ist für die Nachbarn so etwas wie die gute Seele der Straße: Bei ihr sind die Schlüssel zum Briefkasten, wenn jemand im Urlaub ist, sie schaltet auch mal ein Licht aus, das vergessen worden ist, manchmal steht sie vor ihrem Gartentor und hält ein Schwätzchen. Ansonsten lebt sie zurück gezogen, in ihr Haus kommt eigentlich niemand so richtig rein.

Eines Tages stürzt sie und bricht sich die Schulter. Es folgt ein Aufenthalt im Krankenhaus. Als sie entlassen werden soll, sagt der Arzt zu ihr: „Ich kann sie nur entlassen, wenn klar ist, wie sie versorgt werden. Alleine können sie das zu Hause nicht, sie brauchen Unterstützung.“ Helga ist verzweifelt. Einen Haushaltsdienst kann sie nicht engagieren, weil erst die Krankenkasse zustimmen muss. Die aber lässt sich Zeit. Was nun? Die Zeit drängt.

Da schließen sich die Nachbarn zusammen. Sie bilden eine Whats App Gruppe und klären jeden Tag: Wer geht einkaufen, wer bringt Essen rüber, wer hält den Kontakt zur Versicherung? Das Erstaunliche ist: Es klappt. Sogar weit länger als über die ersten Tage. Immer wieder steht jemand mit einem Topf vor der Tür, Freunde nehmen sie mit zum Einkaufen und sonntags hängen geschnittene Brötchen an der Haustür. In Helgas Haus herrscht auf einmal ein ungewohntes Treiben. Und Helga scheint glücklich damit zu sein.

Für mich hat das was mit der vierten Bitte im Vater unser zu tun. Die heißt: „Unser täglich Brot gib uns heute“. Martin Luther hat aufgezählt, was alles „das tägliche Brot“ sein kann: Alles was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken. Zum Schluss schreibt er: gute Freunde, getreue Nachbarn und der dergleichen. (Martin Luther, Der kleine Katechismus)

Ich finde das eine tolle Auslegung. Sie zeigt: Das tägliche Brot ist viel mehr als Essen und Trinken. Dazu gehören auch Menschen, die es gut mit mir meinen, Freunde oder Nachbarn. „Unser tägliches Brot gib uns heute“ heißt: Bitte, Gott, gib uns alles, was uns an Leib und Seele stärken kann. Das sind auch Menschen, die in unserer Nähe sind.

Helga ist über die Erfahrung mit ihren Nachbarn erstaunt und glücklich. Sie kann die Hilfe gut annehmen. Auch das ist neu für sie. Sie sagt: „Niemals hätte ich gedacht, dass das klappt. Dass ihr alle wirklich da seid.“ Und dann sagt sie: „Ich erzähle das überall weiter, weil es so großartig ist.“

Die Nachbarn sind froh, dass sie Helga unterstützen konnten. Es war für sie ein gutes Gefühl: Wir arbeiten zusammen, wir stimmen uns ab, wir haben einander im Blick. Das hat ihre Gemeinschaft gestärkt und ihnen selbst gut getan. Unser tägliches Brot gib uns heute, also auch gute Freunde, getreue Nachbarn und dergleichen.

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