"Die Wahrheit wird euch frei machen"
Als Kinder konnten wir den ersten April kaum erwarten. Gleich nach dem Aufstehen renne ich in die Küche. Meine Oma steht am Herd und kocht. Wie jeden Morgen.
Erschrocken bleibe ich stehen: „Oma, was hast du denn gemacht? Du hast da vorne einen großen Fleck!“ Entsetzt schaut sie an ihrer Schürze runter: „Wo denn? Was denn?“ – und schon rufe ich: „April, April!“
Meine Oma braucht ein paar Augenblicke, dann hat sie verstanden. Und wir beide lachen los. Ich freue mich über meinen Triumpf. Der kleine Mann hat die große Frau hinters Licht geführt. Und sie freut sich mit und lacht über sich selbst: „Jedes Jahr falle ich wieder drauf rein.“
Am ersten April ist das erlaubt. Da darf man den anderen ungestraft zum Narren halten. Das ist nicht lügen. Das wussten wir Kinder. Lügen ist etwas anderes. Die Lüge will unerkannt bleiben, will Wirklichkeit verfälschen. Das ist böse. Denn es zerstört Vertrauen.
Gute Aprilscherze dagegen sind genau das Gegenteil. Sie sind ein Ausdruck von Verbundenheit. Was sich liebt, das neckt sich, sagt man. Der Aprilscherz will nicht verletzen, sondern erheitern, will den anderen liebevoll auf den Arm nehmen.
Und dann soll aber auch die Wahrheit ans Licht kommen. Aprilscherze wollen aufgelöst werden. Unbedingt. Das Lachen darüber befreit und verbindet.
Ich stelle mir vor: Jesus hat so ähnlich gedacht, wenn er im Evangelium sagt: Die Wahrheit wird euch frei machen.
