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Brexit
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Brexit

Prof. Dr. Markus Tomberg
Ein Beitrag von Prof. Dr. Markus Tomberg, Professor für katholische Religionspädagogik, Fulda und Marburg
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Jetzt ist er also da, der Brexit. Endlich, sagen die einen. Bei anderen fließen Tränen. Seit gut sieben Stunden gehen die EU und Großbritannien formal getrennte Wege. Ein sich seit Jahren hinziehendes Drama, dessen Ausgang lange doch wenigstens ein bisschen offen schien –  vorbei.
Oder doch nicht? Zunächst ändert sich schließlich gar nicht viel. Der zukünftige Status Quo, die Regeln des Miteinanders der beiden Ex-Partner, muss erst noch ausgehandelt werden. In Sachen EU-Austritt der Briten endete heute Nacht ein Kapitel. Zu Ende erzählt ist die Geschichte des Brexit aber wohl noch lange nicht.
Aber so ist das mit Trennungen: Sie sind schmerzhaft und brauchen Zeit. Im Kleinen gilt das und wohl auch im Großen. Manchmal beenden solche Trennungen  eine unerträgliche Lebenssituation und schaffen Raum für einen Neuanfang. Manchmal hat man sich auseinandergelebt. Manchmal waren es eher Launen. Immer aber gilt: Die Trennung will bearbeitet, und sie will verstanden werden. Trennungen brauchen Geschichten.
Solche Trennungsgeschichten werden oft als Siegergeschichten erzählt. Beim Brexit gibt es eine Gruppe, die das gut hinbekommt. Endlich frei, so lautet die Kurzformel dieser Geschichte. Alles gut. Nur zu lang hat es gedauert.
Wer da genau hinhört, entdeckt auch in diesen Siegergeschichten der Trennung eine andere Botschaft. Es ist die des Scheiterns. Jede Trennung erzählt eine solche Geschichte. Eine von ungenutzten Möglichkeiten. Und, ja, eine Trennung erzählt zuweilen auch die Geschichte von Schuld.
Offen erzählt werden solche Geschichten seltener. Siegergeschichten gehen leichter über die Lippen. Ehrlicher sind meist die Geschichten vom Scheitern. Sie ermöglichen einen echten Neuanfang. Wer seine Fehler, sein Versagen, seine Schuld eingestehen kann, kann versöhnt neu beginnen.
Die Siegergeschichten tun dagegen nur so. Die brauchen die Unterlegenen. Die Verlierer. Ein Neuanfang auf Augenhöhe: unmöglich.
Eigentlich gut, dass der Brexit zwar vollzogen, aber seine Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist. Da bleibt ein guter Neuanfang immerhin möglich.

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