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100 Jahre 1. Maifeiertag – Arbeit `light`
Bildquelle: Michael Gaida/Pixabay

100 Jahre 1. Maifeiertag – Arbeit `light`

Ute Zöllner
Ein Beitrag von Ute Zöllner, Evangelische Pfarrerin i.R., Pastoralpsychologin, Kassel
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Wir bieten Ihnen einen Job mit Festanstellung auf Lebenszeit. Ihr Einstiegsgehalt beträgt 2046,00€ Brutto. Ihr Gehalt wird jährlich an die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst. Selbstverständlich übernehmen wir auch die fälligen Sozialabgaben. Anspruch auf Jahresurlaub haben sie ebenfalls. Das hört sich doch schon mal verlockend an.

Nun kommt die Überraschung dieser Stellenanzeige: Die einzige Gegenleistung besteht darin, sich morgens und abends an einer Stechuhr an- und abzumelden. Das ist alles? Kann eigentlich nicht sein. Ich bin neugierig geworden und möchte wissen, was dahintersteckt.

Für diese Stelle kann man sich bei der Stadt Göteborg bewerben, ab dem Jahr 2025. Sie ist mit einem Kunstprojekt verbunden, das mit der Einweihung eines neuen U-Bahnhofes startet. Es heißt: „Anstellung für die Ewigkeit“ und ist eine andere Form von „Kunst am Bau“. Der Bahnhof bekommt keine Skulptur vor dem Eingang. Stattdessen leuchtet er in anderem Licht, wenn der ewige Angestellte im Dienst ist. Worin sein Dienst besteht, bleibt aber ganz allein ihm oder ihr überlassen. Er selber entscheidet, worin seine Arbeit besteht.  Seine „Arbeitsposition beinhaltet keine Pflichten oder Verantwortlichkeiten“ heißt es in der Stellenanzeige. Jeder Tag kann der Mitarbeitende neu entscheiden, ob er kreativ sein oder lieber spazieren gehen möchte. Oder er oder sie bringt ein neues Projekt auf den Weg. Die Herausforderung für den „ewigen Angestellten“ besteht darin, mit seiner Zeit etwas Sinnvolles anzufangen.

Für einen Moment habe ich gedacht: das ist der Job des Lebens. Der passt zum 1. Maifeiertag. Aber ich zögere. Würde ich diese Stelle haben wollen? Eher nicht. Kolleginnen und Kollegen hätte ich nicht. Und die Vorstellung, in einer so unbestimmten Freiheit leben zu sollen, ist mir eher unbehaglich.
So sind die Reaktionen auf dieses Kunstprojekt auch „sehr gemischt“, berichtet die die Vorsitzende der Jury, die das Projekt auswählte. Aber es beflügelt die Vorstellungskraft der Menschen, bevor es überhaupt begonnen hat, erzählt sie weiter. Wir müssen über die Bedeutung von Arbeit nachdenken.
Der Mensch ist mehr als seine Arbeitskraft, diese Einsicht ergibt sich für mich auch aus dem christlichen Glauben. Seine Würde besteht nicht in dem, was er leistet. Gott nimmt mich an, so wie ich bin. Der „ewige Angestellte“ wird dieser Einsicht einen großen Dienst erweisen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr.65, 18.03.2019, „Weit mehr als ein Traumjob“

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