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Gedenken an die Novemberpogrome
Hintergründe

Gedenken an die Novemberpogrome

"Südbahnhof, raus!" So erinnerte sich der Frankfurter Rechts­anwalt Julius Meyer an den Abend des 9. November 1938. Er gehörte zu den jüdischen Männern, die die Nationalsozialisten aus ihren Wohnungen gerissen hatten. Sie karrten sie auf Lastwagen zu den Bahnhöfen der Stadt. 

Julius Meyer berichtete, wie die Malträtierten am Südbahnhof empfangen wurden: "Da stehen dicht gedrängt Scharen von Menschen, um zuzusehen. Ein wüstes Gejohle geht los und empfängt uns."

Die Leute damals haben nicht nur gegafft

Die Masse hat nicht bloß gegafft. Sie machte mit. Meyer schreibt: "Mehrere Mädchen und Frauen und dann auch Männer haben darauf losgehauen, geprügelt, mit Stöcken und Schirmen geschlagen, wahrscheinlich auch mit schwereren Gegenständen. Auch diese Qual hat ein Ende, und wir sit­zen im Zug, in den man uns verladen hat."

Die Züge deportierten die Frankfurter jüdischen Bürger in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau. Julius Meyer hat überlebt. Er konnte 1939 nach England emigrieren und berichten.

(Aus dem Erinnerungsbericht von Julius Meyer über die Novemberpogrome in Frankfurt, geschrieben 1940. Dokumente zur Geschichte der Frankfurter Juden 1933-1945, hrsg. von der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Frankfurter Juden, Frankfurt/M. 1963, S. 32-44, S. 39-43)

Gedenken im hr

An den unverhohlenen Terror der Nazis gegen Jüdinnen und Juden erinnert der 9. November. Normalerweise finden an vielen Orten Mahnwachen statt. Dieses Jahr ist das aufgrund der Corona-Schutz-Bestimmungen nicht möglich.

Gedenken kann man trotzdem. Claudia Sattler tut es in ihrem hr4 Übrigens. "Erinnern heißt handeln", sagt sie. Denn Jüdinnen und Juden haben wieder Angst in Deutschland - nicht erst seit dem rechtsextremistischen Anschlag auf die Synagoge in Halle vor einem Jahr. Claudia Sattler erzählt, was sie gegen den alten und neuen Antisemitismus tut.

Es braucht Mut, den judenfeindlichen Sprüchen Paroli zu bieten, sagt Kathrin Wittich-Jung in ihrem hr1 Zuspruch am 9. November. Nicht weghören, sondern widersprechen. Nicht wegschauen, sondern Gesicht zeigen. Das fängt im Kleinen an.

Die Mutter von Charlotte von Winterfeld hat letztes Jahr ihren 75. Geburtstag verbunden mit einer Führung zur Erinnerungsstätte an der ehemaligen Frankfurter Großmarkthalle. Von dort haben die Nazis viele Frankfurter Jüdinnen und Juden deportiert. Gedenken zusammen mit den Gästen einer Geburtstagsfeier? Wie das war, erzählt Charlotte von Winterfeld im hr2 Zuspruch.

Wie Sie gedenken können

Gedenken digital. Das ermöglicht die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Frankfurt. Sie lädt am Sonntag, 8. November 2020, um 15.15 Uhr einen Film von Leon Spanier hoch. Der 20-minütige Film zeigt Tatorte der Novemberpogrome und Gedenkstätten. Hier ist der Film auf YouTube zu sehen - er bleibt eingestellt, so dass Sie ihn jederzeit anschauen können.

Viele jüdischen Gemeinden und Kirchengemeinden, die sonst Gedenkandachten und Mahnwachen gestalten, laden ein, an den Gedenkorten in Ihrer Stadt, in Ihrer Umgebung vorbeizugehen und kurz innezuhalten.

In vielen Städten und Orten gibt es Stolpersteine. Das sind Pflastersteine mit einer Messingplatte vor den Häusern, in denen Jüdinnen und Juden zuletzt selbstgewählt gewohnt haben, bevor sie in die KZs und Vernichtungslager deportiert wurden.

Wenn es Stolpersteine in Ihrem Wohnort gibt, können Sie am 9. November dort vorbeigehen. Manche nehmen ein Putztuch und Messingputzmittel mit, polieren die Messingplatte und legen eine weiße Rose zum Gedenken neben den Stolperstein.

 

 

 

 

 

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